Das besondere Konzert

ZENTRALQUARTETT

Von der Sprengung der normativen Jazzästhetik
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Samstag
20. Dez 2008
21:00 Uhr
Ein Jubiläum steht an. Und zwar eines, das auf das vielleicht folgenreichste Konzert verweist, das eine DDR-Jazz-Band je gegeben hatte. Vor 35 Jahren, im Oktober 1973, gab die Ostberliner Band Synopsis ein Konzert im Rahmen des Festivals Jazz Jamboree in Warschau. Die Veranstalter waren zunächst sehr skeptisch, denn sie waren überrascht nicht nur von der aktuellen, sich von den Bewerbungsunterlagen unterscheidenden Besetzung – Conny Bauer, Posaune; Uli Gumpert, Piano; Ernst-Ludwig Petrowsky, Altsax; Baby Sommer, Drums –, sondern auch vom radikalen Freejazz der Gruppe, mit dem die Polen keinesfalls gerechnet hatten. Das überwiegend polnische Publikum aber feierte das ostdeutsche Quartett frenetisch. Die Konsequenzen: die internationale Jazz-Welt, für die das Warschauer Jazz Jamboree stets eine Bühne für Jazz aus realsozialistischen Ländern war (und für die Musiker von da immer auch ein Sprungbrett in die internationale Bedeutsamkeit), schaute plötzlich auf die Freejazzer aus der DDR, anerkannte schrittweise deren Bemühen, freie Improvisationen mit den hiesigen, deutschen Volksmusiktraditionen zu verbinden und nahm auf diese Weise den europäischen Freien Jazz insgesamt mehr in den Blick. Es kam für Synopsis zu Einladungen, zur Zusammenarbeit mit westeuropäischen Spitzenmusikern und zu immer mehr internationalen Auftritten der Synopsis-Musiker. Vor allem befruchtete dieser »Urknall« die Herausbildung einer spezifisch europäischen Improvisationsmusik und ermöglichte eine immer intensiver werdende Kooperation mit westdeutschen Kollegen. Dieser wirklich »bahnbrechend« zu nennende Erfolg von Synopsis im Herbst 1973 führte auch dazu, dass die offizielle DDR-Kulturpolitik den Freejazz im eigenen Land als international anerkannt wahrnehmen und ihre eigenen Auffassungen zu Gut und Schlecht in der Musik revidieren musste. Synopsis 1973 in Warschau – das initiierte nicht mehr und nicht weniger als einen Paradigmenwechsel in der DDR-, ja: gesamtdeutschen, vielleicht sogar europäischen Jazzkultur. Wie so häufig im Bereich der DDR-Jazz- und Rockmusik: der Rundfunk der DDR reagierte schneller als die Schallplatte. Schon am 5. und 6. März 1974 nahm Synopsis im Rundfunk-Studio fünf Titel auf, die archiviert und teils gesendet wurden. Doch der Erfolg rief auch Amiga auf den Plan – diesmal schnell: Das Quartett nahm im Studio des DDR-Schallplattenlabels am 22. und 23. April sechs Stücke auf, die noch 1974 auf der ersten, »Synopsis« benannten Synopsis-LP erschienen. Free Music Production (FMP) in Westberlin kaufte die fünf Aufnahmen des Rundfunks der DDR und veröffentlichte sie – ebenfalls noch 1974 – als LP mit dem Titel »Auf der Elbe schwimmt ein rosa Krokodil«. 1975 verließ Conny Bauer die Band, um seine eigene Gruppe FEZ zu gründen (mit Hannes Zerbe, p; Joe Sachse, g; Christoph Niemann, b; Peter Gröning, dr), ersetzt wurde er bei Synopsis durch den Bassisten Klaus Koch. Dieses Quartett konnte ein 1977 in Mittweida stattfindendes Konzert mitschneiden, das erst 1996 durch das Engagement von Uli Gumpert und den FMP-Leuten auf dem Privat-Label Syn als CD »Synopsis ’77 – Live in Mittweida« herauskam. Um 1978 löste sich die Band zunächst auf – zu viele verschiedene Projekte, Angebote und Tourneen wollten bewältigt sein … Erst 1984 kam es zu einer Wiedergründung – auf Initiative Baby Sommers anlässlich einer Konzertreihe in Paris, diesmal jedoch unter dem Namen »Zentralquartett«, aber wieder in der Standardbesetzung von 1973. Die für das französische Label »nato« eingespielte LP »Ascenseur Pour Le 28« (nato 329) firmiert auf dem Cover als »Günter Sommer et trois vieux amis«, was die treibende Rolle Sommers für das Quartett nur unterstreicht. Unmittelbar nach der Wende erschien auf dem Amiga-Nachfolger Zong die nächste LP (die erste unter diesem neuen Namen), die später – ebenso wie das »Rosa Krokodil« – auf dem schweizerischen Intakt-Label als CD wiederveröffentlicht wurde. Seither legte die »Viererbande« bis in die Gegenwart auf Intakt Records noch drei weitere CDs vor: »Plié«, »Careless Love« und »11 Songs – Aus Teutschen Landen«. Bert Noglik stellte vor fünf Jahren, zum dreißigsten Geburtstag der Band, fest: »Von Synopsis zum Zentralquartett: der Zusammenschluss von vier Individualisten zu einer musikalisch-konspirativen Vereinigung, Initialzündung und Assoziationskette: Mutig wurde eine normative Jazzästhetik aufgesprengt, das Panorama des freien Spiels ausgeschritten und das vermeintliche Vakuum mit gestaltbildender Kraft ausgefüllt.« Dies gilt heute immer noch. Und Noglik weiter: »Diese Band kündete von einem neuen Selbstbewusstsein, das gewissermaßen in ständiger Reibung mit der Enge der Verhältnisse, der Behauptung gegenüber Bevormundung, im Austausch mit der internationalen improvisierten Musik und in Tuchfühlung mit der heimischen Zuhörerschaft gewachsen war.« Dass dies auch heute noch zu spüren und dass eine solche Musik gerade auch heute wieder nötig ist – davon kann sich jeder Musikfreund am 20. Dezember 2008 im Jazzclub Neue Tonne Dresden überzeugen.

Eintrittsinfo

Vor 35 Jahren mischten die Jungs als Synopsis Europas Jazzszene auf