JOHANNES ENDERS QUARTETT feat. BILLY HART D/USA

Der bekannte Saxofonist auf Tour mit der Schlagzeuglegende
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Samstag
21. Mai 2011
21:00 Uhr
JOHANNES ENDERS zählt weit über die Grenzen Deutschlands hinaus zu den besten und wohl auch experimentierfreudigsten Jazzern seines Fachs. Der Tenorsaxophonist aus Weilheim, der in München, Graz und New York studierte, und der Lee Konitz, Branford Marsalis und Donald Byrd zu seinen Lehrern zählte, ist ein umtriebiger kreativer Geist, dessen immenser künstlerischer Output voller Überraschungen steckt. Das Tied & Tickled Trio, das er Ende der 1990er mit den Brüdern Micha und Markus Acher gründete (in deren Band The Notwist er kontinuierlich zu Gast im Studio ist), lotet in wechselnden Besetzungen die Möglichkeiten aus, Jazz mit Minimal Music, Post-Rock und Electronic zu verknüpfen. Auch für sein anderes Projekt Enders Room, das es nunmehr schon auf fünf Alben gebracht hat, sucht er immer wieder neue Mitstreiter, die mit ihm das Spannungsfeld zwischen Electronic und Jazz erweitern. Darüber hinaus verfolgt Enders seit Jahren als Leader diverser Ensembles, sei es im Trio, Quartett oder Quintett, mit sanftem Nachdruck eine Jazzphilosophie, die in ihrer Intimität und Klarheit fast privat wirkt und die auf den Austausch und die Begegnung mit anderen Musikern setzt. Das neue Album des JOHANNES ENDERS QUARTETTs „Billy Rubin“ (Enja Yellowbird, Mai 2011) ist das Resultat einer dieser klassischen Quartett-Einspielungen, ein Herzensprojekt, das ganz bewusst die Momentaufnahme des Zusammenwirkens vierer gleichgesinnter Geister in den Vordergrund stellt. Das Album markiert zugleich die seit zehn Jahren bestehende Freundschaft zu dem 70-jährigen US-amerikanischen Schlagzeuger BILLY HART, den Enders nicht nur wegen dessen exzeptioneller Biographie bewundert, sondern auch wegen seines untrüglichen Gespürs, Räume mit ebenso schöner wie schlüssiger Klangästhetik auszufüllen. Ganz abgesehen davon, dass Hart zur Freude seiner Bandkollegen gerne Anekdoten aus seinem erfüllten Künstlerleben zum Besten gibt, die deutlich machen, dass in diesem Musiker eine denkbar abenteuerliche Autobiographie schlummert. Billy Hart hat sprichwörtlich schon mit Gott und der Welt gespielt, wenn man zu den irdischen Musikgöttern mal Otis Redding, Jimi Hendrix, Stan Getz und Herbie Hancock zählt. Der Drummer wirkte bislang grob geschätzt an nahezu 700 Albumaufnahmen mit, ist noch immer manches Jahr neun Monate auf Tournee und lehrt zudem auch noch an drei amerikanischen Universitäten. Da wundert es kaum, dass Johannes Enders diesen Jazzweisen, mit dem er bereits 2001 erstmals ein Album aufnahm, mit ganzer Herzensüberzeugung zu seinem Guru erklärt. Die sieben Aufnahmen zu „Billy Rubin“ entstanden an einem einzigen Tag im Februar letzten Jahres, dem lediglich ein weiterer Tag mit Proben vorausgegangen war. Neben Johannes Enders und Billy Hart spielen der Schweizer Pianist Jean Paul Brodbeck, ein erklärter Fan von Herbie Hancock und der Ära der 1970er, in der Billy Hart mit dieser Jazzkoryphäe arbeitete, sowie der in Graz und Wien lebende serbische Kontrabassist Milan Nicholic. Mit beiden Musikern hatte Enders schon bei anderen Gelegenheiten gearbeitet. Es zählt zu den vielen Talenten dieses Bandleaders, dass er die richtigen Musiker für bestimmte Projekte und Ensembles zusammenzustellen weiß und förderliche Synergien im Voraus ahnt. So schreibt der Jazzautor Wolf Kampmann in seinen Linernotes zum Album „Billy Rubin“ ganz treffend: „Es tut wohl, sich darauf einzulassen, denn alles an dieser Musik erscheint vertraut und unmittelbar aus einem tiefen Bedürfnis für allzumenschliches Ebenmaß geboren.“ Tatsächlich umgarnen sich hier Schlagzeug, Bass, Piano und Saxophon (das Enders nicht selten so sanft klingen lässt wie eine Bassklarinette) mit allem gebotenen Feingefühl. Stets streben die Protagonisten nach stringenten Harmonien und einem kontinuierlichen Flow. Das liegt auch daran, dass Enders kein Freund von exponierten solistischen Eskapaden ist. Auf dem ersten Track des Albums, „Billy Rubin 1“, evoziert Billy Hart mit seinem Schlagzeug täuschend echt ein schwach klopfendes Herz, ein Rhythmus, den Johannes Enders aufgreift und mit seinem samtenen Spiel so anmutig und zart begleitet wie eine orientalisch angehauchte Duke-Ellington-Suite. „So Ro“, ein Stück, das bereits auf dem Album „Human Radio“ von Enders Room zu finden war, besticht durch behände fließende Improvisationslust, während das mit akribischem Taktmaß austarierte „Zeitgeist Maschine“ ein Musterbeispiel an Präzision und Einfühlungsvermögen ist. Nicht minder kontemplativ und hoch konzentriert wirkt das Johannes Enders Quartett auf traumwandlerisch-lichten Tracks wie „Sonnentierchen“ und „Paula“. „Gruppenimprovisationen sind eine Herausforderung. Abgesehen von dem gewichtigen technischen Problem des in sich stimmigen kollektiven Denkens, gibt es das sehr menschliche, ja soziale Bedürfnis nach Zuneigung, der sich alle Mitglieder für ein gemeinsames Ziel beugen.“ So beschreibt es Bill Evans in den Linernotes des Miles-Davis-Klassikers „Kind Of Blue“. „Billy Rubin“, das eine bewundernswerte Ruhe ausstrahlt, erfüllt diese Prämissen so perfekt als wäre es ein spirituelles Pendant zu jenem Meisterwerk von 1959. Der Albumtitel „Billy Rubin“ bezieht sich übrigens auf den gleichklingenden Blutfarbstoff Bilirubin, der für Johannes Enders vor knapp zwei Jahren während einer lebensbedrohlichen Erkrankung eine entscheidende Rolle spielte. In den beiden Stücken „Billy Rubin 1“ und „Billy Rubin 2“ hat er diese existentielle Erfahrung des persönlichen Leidens in melancholische Melodiemuster verarbeitet, in denen vor allem jene Demut vor dem Leben zum Ausdruck kommt, die er auch seinem Freund Billy Hart gegenüber empfindet. Diese Mischung aus starkem Intellekt, künstlerischem Tiefsinn und Menschlichkeit zeichnet den 44-jährigen Musiker aus. In den letzten Jahren ist sein Wirken auch mit dem SWR-Jazzpreis (2003) und dem Neuen Deutschen Jazzpreis (2007) bedacht worden. Vor zwei Jahren wurde er zudem an die Musikhochschule in Leipzig berufen, wo er nun eine Jazzprofessur inne hat und nicht nur Einzelschüler wie Ensembles in Jazzsaxophon unterrichtet, sondern sich darüber hinaus auch noch als Studiendekan engagiert. Johannes Enders, der schon selbst an ca. 100 Alben beteiligt war, mag auch in Zukunft noch manche gewagte musikalische Herausforderung suchen. Solange ihm Alben wie „Billy Rubin“ gelingen, die sich als Oasen musikalischer Glücksmomente entpuppen, wird auch immer eine gute Portion Seelenbalsam darunter sein. (Text: Uwe Kerkau Promotion)

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