20 Jahre ACT: PIANO-PIANO Clubtour

LESZEK MOŻDŻER PL

Der polnische Starpianist präsentiert sein fantastisches Komeda-Projekt
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Montag
06. Feb 2012
21:00 Uhr
Von Bartók über Stokowski bis Horowitz auf der einen Seite zu Art Tatum, George Gershwin oder selbst einem Benny Goodman auf der anderen: Lange Zeit gingen Jazz und Klassik einen gemeinsamen Weg gegenseitiger Befruchtung, bis der Kulturbruch des Zweiten Weltkriegs diese Beziehung auseinander riss. Trotz einiger Anläufe – etwa dem „Third Stream“ Ende der fünfziger Jahre – hat es lange gedauert, bis der Austausch zwischen den beiden wichtigsten Strömungen der Kunstmusik wieder selbstverständlich wurde. Wenn heute der Jazz wieder als „Zweite Klassik“ anerkannt wird, dann liegt das an Künstlern wie dem polnischen Pianisten LESZEK MOŻDŻER. Der 1971 geborene, klassisch ausgebildete Pianist kam erst mit 18 Jahren zum Jazz, erspielte sich aber schnell Rang und Namen und wird heute in Polen wie ein Popstar gefeiert. In seiner Heimat spielte er mit den wichtigsten Jazzern des Landes wie Tomasz Stanko oder Michal Urbaniak. Seit 1994 bis heute wird er vom polnischen Magazin Jazzforum fast ausnahmslos zum besten Pianisten des Landes gewählt. International machte er sich besonders an der Seite des ebenfalls einem melodiösem Wohlklang verpflichteten schwedischen Bassisten Lars Danielsson einen Namen. Dieser bezeichnete Możdżer als „den für mich idealen Pianisten“ und spielte seine letzen beiden Alben „Pasodoble“ (2007) und „Tarantella“ (2009) mit ihm ein. Aber auch amerikanische Jazzikonen wie Pat Metheny, Lester Bowie und Archie Shepp schätzen seine Mitarbeit. Wenn Możdżer heute als wichtigste Entdeckung des jüngeren polnischen Jazz und als einer der herausragenden Pianisten der internationalen Szene gilt, dann nicht zuletzt wegen seiner wegweisenden Grenzgänge zwischen Klassik und Jazz: Er ist der große Romantiker unter den europäischen Jazzpianisten. Mit Improvisationen über Themen von Frédéric Chopin begründete er seinen Ruf, stets klammert sich sein perlendes, anschlagstechnisch unerreichtes Spiel seither an Melodien voller Lyrik und Emotion. Dabei erweist sich Możdżer gleichwohl als überragender Improvisator – allerdings auf der Grundlage eines klassischen Kanons, was Chromatik, Harmonik und vor allem Verzierungen angeht. Mit seinem ACT-Debüt nutzt Leszek Możdżer die Gelegenheit für eine Hommage an den neben Chopin zweiten Nationalheiligen der polnischen Musik: Krzysztof Komeda, den 1969 erst 38-jährig verstorbenen Jazz-Pianisten und Filmmusiker, der bis dahin unter anderem die Soundtracks fast aller Filme von Roman Polanski geschrieben hatte. Komeda ist eines meiner Idole“, erzählt Możdżer. „Ich erinnere mich noch genau an den Moment, als ich seine Musik zum ersten Mal hörte, es war umwerfend. Diese Tiefe und Weisheit, die unmittelbar aufscheint. Mit der Zeit ergründete ich seine Biographie, seine Hingabe an die Musik. Einer meiner Lieblingssätze von ihm lautet: ,Lebe für die Musik, nicht von der Musik.‘“ Możdżers Komeda-Projekt hat hörbar eine lange Reifezeit hinter sich: „Der Produzent des Albums Paweł Potoroczyn hat seit über sechs Jahren versucht, mich damit ins Studio zu kriegen. Erst jetzt hat er Erfolg gehabt, ich fühlte mich vorher einfach noch nicht bereit dazu.“ Von ersten Stück an hört man die Seelenverwandschaft von Możdżer und Komeda. Der Opener „Svantetic“ ist gewissermaßen in beider Namen eine Danksagung an den schwedischen Dichter Svante Foerster, der Komeda einst auf seine erste Schweden-Tour einlud. Stockholm war damals ein vibrierendes kulturelles Zentrum, und Komeda traf dort Musiker wie Rune Carlsson und Bernt Rosengren, die zu wichtigen künstlerischen Partnern wurden. Dem lyrischen Saxophonisten Rosengren hat Możdżer denn auch die „Ballad for Bernt“ gewidmet. Das ganze Repertoire des Albums besteht ausschließlich aus Kompositionen Komedas, doch Możdżer betont, wie viel Freiheit ihm trotzdem blieb. Schon alleine, weil er die Stücke so auswählen und aneinanderreihen konnte, wie es ihm gerade durch den Kopf ging. Aber auch interpretatorisch: „Komeda lässt solch enormen Raum für einen improvisierenden Musiker. Betrachtet man die Note, kann man sagen, Komeda betrachtet den Ausführenden als Partner. Er vertraut seinen Interpreten, das sehe ich in den Kompositionen.“ Ein Vertrauen, das Możdżer mehr als rechtfertigt, der auf Komeda bevorzugt in lyrischen Finessen schwelgt, aber auch mal düstere Anklänge zulässt, wie bei „Sleep Safe And Warm“ aus dem Polanski Film „Rosemary’s Baby“. Auf „Crazy Girl“ attackiert er auch mal mit synkopierter Rhythmik und Jazz-Harmonik. „Ich spiele das Stück ohnehin viel langsamer als Komeda es üblicherweise tat. Denn ich entdeckte, dass es so die unglaubliche Schönheit seiner Melodie freigibt. Die Schlichtheit und doch Intelligenz der Form, die Komedas Genie zeigt. Wir alle lieben crazy girls. Aber wie ich das Stück spiele, wird daraus eines für das Mädchen, das du liebst.“ Leszek Możdżer hat sich eben stets genau überlegt, was er machte. So sind auf „Komeda“ lauter kleine Meisterwerke jenseits überholten Schubladendenkens entstanden. Und eine musikalische Romanze für Klassikfreunde wie Jazzfans.