Who, the hell, is JOHNNY LA MARAMA, hieß es beim Debütalbum der gleichnamigen Band 2006. Jetzt fragt man sich: Where, the hell, is he?
Wohin kommt wohl der Unhold? Genau! In die Hölle. Oder mindestens ins Fegefeuer. Völlig logisch also, dass Kalle Kalima, Chris Dahlgren und Eric Schaefer ihren fiktiven Desperado nach „Fire!“ und „Bicycle Revolution“ nun ins „Il Purgatorio“ schicken.
In der römisch-katholischen Theologie werden dort mit heißem Besen die Sünden aus den Seelen gekehrt. Ursprünglich war das aber als ein Ort zur Erholung gedacht, bevor man in den Himmel fährt. Vermutlich dachte auch Johnny La Marama, dass das Fegefeuer eine besonders illuminierte Art von Lounge-Bar sei, in der er erst mal relaxt einen Drink nimmt, bevor er weiter nach seinem Kumpel Hans Hansson sucht und hernach zur himmlischen Manna-Speisung auffährt.
Aber er hat sich – höllisch – geirrt.
Dante hat das Purgatorium in der Göttlichen Komödie beschrieben. Über sieben Terrassen büßen sich dort die Delinquenten zur Erlösung hin. Kalle Kalima, Chris Dahlgren und Eric Schaefer haben Maramas Fegefeuerreise um ein paar Verschnaufspausen, historische Gestalten und zeitgenössische Inhalte auf elf Songs ausgebaut.
Hat man die staunenden Ohren nach dem Anhören Il Purgatorio wieder angeklappt, wundert einen eigentlich nur noch, dass der Wunderdreier aus Berlin auf seiner Fegefeuerreise nicht auch noch andere Wunderliche der Musikgeschichte in persona getroffen hat; als da etwa wären Frank Zappa, Charles Mingus, Karlheinz Stockhausen, schlechte Countrymusik, legendäre Rockgitarristen und eine Horde Punkbands.
In Johnnys Vorhof der Hölle wird der Hörer gut gegrillt, das Berliner „Purgatorio“ hört sich zuweilen an, als ob eine Stahlpresse mit Festplattenfehler auf Autopilot läuft. Es rockt und knallt, seufzt und groovt in allen Tonlagen und Metren. Die Treppenstufen zur Glückseligkeit, die sind schief, voller ungerader Metren, rhythmischer Querschläger und Stolpersteine. Vor allem aber ist Il Purgatorio eine ausdrucksvolle, epische Filmmusik, sehr amerikanisch in Gestus und „Gesängen“. Irgendwie wähnt man sich ständig in Tarantinos Titty Twister-Bar aus From Dusk till Dawn. Die üblichen Parameter kommen hier zum Erliegen. Oder wurden einfach aufgefressen.
Johnny La Marama ist natürlich mucho Gitarre. Kalle Kalimas Spezialität darauf ist das konstruktive Dekonstruieren, unehrliche Klischees ehrlich zu ironisieren. Oder war das umgekehrt? Der finnische Gitarrist kann mittlerweile getrost als der Euro-Marc Ribot bezeichnet werden, ähnlich versatil und vielschichtig wie er spielt. Aber ebenso treten Eric Schaefers Studien in Neuer Musik und ein gewisser Art-Rock-Background in den Vordergrund. Chris Dahlgren schließlich „tarnt“ seine amtliche Karriere im Neutöner-Jazzbereich hinter grooviger Unterfütterung. Auf jeden Fall wird auch im dritten Johnny-La-Marama-Coup deutlich, dass sich seine musikalischen Doubles bestens und blindlings verstehen, ein echtes Team, in dem jeder von seiner Höhe aus auf gleicher Höhe mit den anderen interagiert. Damit kann man getrost durch die Hölle gehen. Auch wenn die „Drei von der Punkstelle“ mit Zapfsäulen aus Rock, Grunge, Jazz und Improvisation in hoher Oktanzahl, mit dieser Fegefeuerfahrt ganz sicher sofort in den [Musik-] Himmel auffahren.
Und wenn man das Ganze mit Johnny La Marama live erleben darf, ist der Höllenvorhof immer noch am allerschönsten!
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